Aktuelle Arbeiten
Q VIII: Bericht von den Grabungen in Qantir-Piramesse in den Jahren 2016 und 2017
In den beiden Kampagnen im Herbst 2016 und 2017. Dabei wurde an einem Grabungsplatz gearbeitet, der auf der Basis der Ergebnisse der umfangreichen magnetischen Messungen ausgewählt worden war, die insbesondere Helmut Becker und Jörg Fassbinder (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) zwischen 1996 und 2012 durchführten. Zum ersten Mal wird hier ein monumentales Gebäude der Ramsesstadt in den Blick genommen. Der Grundriss des dort in den Ergebnissen der Messungen sichtbaren Gebäudekomplexes, enthält sowohl Elemente, die an einen Palast erinnern, als auch solche, die an einen Tempel denken lassen. Als Ziel der Grabung ist so insbesondere die Bestimmung der Funktion des Gebäudes definiert. Weiterhin sollen Datierung und Nutzungsgeschichte des Areals unter die Lupe genommen werden. Die Lage in unmittelbarer Nähe des modernen Dorfes Qantir bringt darüber hinaus eine Gefährdung durch Überbauung mit sich und unterstreicht die Notwendigkeit der Arbeiten (Abb. 1).
Die in den Jahren 2016 und 2017 durchgeführten Grabungen sollten der Verifikation der Ergebnisse der magnetischen Messungen dienen und erste Aufschlüsse über die Stratigrafie ermöglichen. Dazu wurden insgesamt vier kleine Flächen mit einer Ausdehnung von ca. 250m2 geöffnet (Abb. 2). Diese sind an Punkten lokalisiert, an denen die magnetischen Messungen interessante Strukturen aufweisen. Es zeigte sich sehr schnell, dass an keinem der gewählten Grabungsschnitte Schichten erhalten sind, die später als an das Ende der 19. oder den Beginn der 20. Dynastie datieren. Ob dies durch eine Abtragung höher gelegener Schichten oder die Nichtexistenz späterer Nutzungen des Areals zu erklären ist, ist beim derzeitigen Stand der Arbeiten nicht zu beantworten.
Einer der Grabungsschnitte wurde direkt am Rand der modernen Bebauung angelegt und sollte zur Klärung eines Mauerzuges dienen. Dieser wurde in einer Tiefe von ca. 1m auch erreicht. Darüber lag jedoch eine Grube, die Produktionsabfälle einer Schmuckwerkstatt enthielt. Unter den Funden waren zahlreiche Halbedelsteinsplitter und Bohrkerne sowie Model zur Herstellung kleiner Objekte aus Fayence. Neben dieser interessanten Kombination, die die enge Nähe der Herstellung von Schmuck aus Fayence und Halbedelsteinen zeigt, bieten die Fayencemodel auch einen Anhaltspunkt für die Datierung. Fünf Model, die mit der gleichen Patrize gefertigt wurden, dienten der Herstellung von kleinen Plättchen mit dem Namen des Merenptah (Abb. 3). Es kann plausibel angenommen werden, dass Objekte mit dem Namen des Merenptah nicht lang nach dem Tod dieses Pharaos angefertigt wurden. Gleichzeitig spricht aufgrund des Fundzusammenhanges nichts dafür, dass dieses Material nach seiner Entsorgung nochmals umgelagert wurde. Somit ist anzunehmen, dass die Mauer, die zu den konstitutiven Elementen des Gebäudekomplexes gehört, in der Zeit des Merenptah oder wenig später niedergelegt wurde und sich in der Nähe der Werkstätten befand. Aufgrund der geringen Größe des Schnittes kann jedoch nichts über die Gebäude der Umgebung ausgesagt werden.
Die größte zusammenhängende Fläche wurde etwa 50m südlich in einem Bereich angelegt, der in den magnetischen Messungen als Eingangsbereich interpretiert wurde. Es kann vorweggenommen werden, dass sich dies bislang nicht bestätigte. Stattdessen wurde unterhalb einer späteren Bebauung bislang ungeklärter Ausmaße, eine Ecke einer Struktur freigelegt, bei der es sich vermutlich um ein Becken handelt (Abb. 4). Dieses war mit einem hellen Putz ausgekleidet und bis in eine Tiefe von maximal 40cm erhalten. In dem ansonsten sehr homogenen Füllmaterial befanden sich mehrere Schüttungen aus Putzfragmenten. Diese stellen die bislang größte Überraschung des Grabungsplatzes dar, handelt es sich doch um einen Kalkputz, der mit polychromer Malerei dekoriert war (Abb. 5). Im Zuge der Bergung und der ersten Bearbeitung durch Mitarbeiterinnen und Studierende der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (HAWK) konnte bereits nachgewiesen werden, dass es sich um zum Teil als Fresko aufgebrachte Malerei handelt. Aufgrund der zumeist kleinteiligen Fragmentierung konnten bislang keinerlei Motive identifiziert werden. Bei diesem Fund handelt es sich um den ersten Rest einer solchen Ausmalung, der bislang in der Ramsesstadt gefunden worden ist.
In einer Ecke des Beckens wurde zu einem späteren Zeitpunkt eine Grube zum Anmischen von Mörtel eingefügt. Diese brachte eine weitere Überraschung mit sich, waren doch in dem aus Mörtel bestehenden Grubenboden Fußspuren erhalten, die aufgrund ihrer geringen Größe die Anwesenheit von Kindern auf der Baustelle belegen, ohne dass sich jedoch aussagen lässt, ob diese dort bereits arbeiten mussten (siehe Video QPS_018).
Die Keramik und die anderen Funde lassen eine Datierung sowohl des Beckens und auch der Verfüllung in die Zeit Ramses II. und spätere 19. Dynastie zu. Von besonderem Interesse ist der Fund einer kartuschenförmigen Plakette mit dem Namen Ramses‘ II., die ihre engsten Parallelen in Stücken aus Gründungsgruben besitzt (Abb. 6). Zwar wurde sie nicht in primärer Lage, also in einer Gründungsgrube, entdeckt, doch mag sie darauf hinweisen, dass sich eine solche in der näheren Umgebung befand. Darüber hinaus wurden in der Verfügung des Beckens und in einer Grube im benachbarten Planquadrat kleine Fragmente hoch qualitätsoller Reliefs entdeckt (Abb. 7). Unter diesen befindet sich auch ein Fragment mit dem Namen Ramses‘ II. Die Tatsache, dass hauptsächlich sehr flach abgeschlagene Oberflächen gefunden wurden die zumeist Hieroglyphen zeigen, mag darauf hindeuten, dass es sich um die Abfälle der Überarbeitung einer Inschrift handelt.
Etwa 15 Meter nördlich dieser Befunde, die die Reste der Malereien erbrachten, wurde ein weiterer Schnitt angelegt. Dieser widmete sich sich einer Fläche, in der sich in der Magnetik eine Säulenstellung abzeichnete. Tatsächlich wurden hier auch vier Säulenbasisfundamentgruben erfasst (Abb. 8); Reste der Säulen selbst jedoch fehlten und es ließen sich lediglich Ausrissgruben nachweisen, die aus der Zeit stammten, als diese niedergelegt wurden. Weiterhin zeigte sich, dass nicht einmal mehr die den Säulen zugehörigen Fußböden erhalten waren. Vielmehr handelte es sich bei dem Material in den Bereichen zwischen den Fundamentgruben um eine Planierschicht. Diese war jedoch sehr fundreich und erbrachte unter anderem einige mykenische Keramik. Eine Datierung der Planierschicht in die Zeit Ramses‘ II. ist wahrscheinlich.
Insgesamt weisen die bislang dokumentierten Funde und Befunde definitiv auf einen königlichen Gebäudekomplex, der vermutlich in die Regierungszeit Ramses II. datiert und der definitiv schon unter Merenptah deutlich verändert wurde. Spätere Bauphasen können bislang kaum klar erfasst werden. Die Funktion muss noch unbekannt bleiben, wobei jedoch eine Tendenz zu einem palatialen Gebäude vorhanden ist.
In den kommenden Jahren ist geplant, den monumentalen Gebäudekomplex umfassend auszugraben und Teile aller seiner Elemente archäologisch zu erfassen. Dabei wird sich hoffentlich die Funktion klären lassen, eine Frage, die aufgrund der bisherigen Funde und Befunde einige Spannung aufkommen lässt. Darüber hinaus ist zu hoffen, dass sich die Darstellungen und der Kontext der Malereien identifizieren und somit deuten lassen.